Um ein Logistiksystem richtig zu konzeptionieren und zu dimensionieren, braucht es Informationen über die zeitliche Verteilung der Last auf das System. Dabei wird eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelauswertungen durchgeführt, z.B.

  • die tägliche und stündliche Menge an Aufträgen, Auftragszeilen und Stück,
  • die Anzahl unterschiedlicher kommissionierter Produkte pro Tag,
  • die Überlappung kommissionierter Produkte pro Tag (d.h. die Stabilität der Nachfrage pro Produkt),
  • die Popularität einzelner Wochentage, und
  • das Profil unterschiedlicher Kalenderwochen,

um nur eine Auswahl zu nennen.

Wesentlich bei bei der Analyse der Zeitprofile ist, dass ein weit verbreiteter Fehler vermieden wird, nämlich die Nutzung von Durchschnittswerten. Nahezu immer führt die Nutzung von Durchschnittswerten in Zeitprofilen zu falschen Planungsannahmen. Dies betrifft sowohl Werte wie die typische Menge an Aufträgen oder Auftragszeilen pro Tag, deren Häufigkeitsverteilung unbedingt zu beachten ist (siehe z.B. nachfolgendes Histogramm) wie auch das häufig anzutreffende Herunterbrechen von Tageswerten auf Stundenwerte unter Annahme einer Gleichverteilung, die in der Regel nicht vorliegt.

Histogramm über die Häufigkeit bestimmter Mengen von Auftragszeilen pro Tag.
Histogramm über die Häufigkeit bestimmter Mengen von Auftragszeilen pro Tag

Die Annahme, dass ein tägliche Auftragsvolumina auf die täglichen Betriebsstunden gleichverteilt werden können ist selten und nur bei längeren Auftragsdurchlaufzeiten zutreffend. In vielen anderen Fällen und insbesondere beim Handel mit Lebensmittel sind zu bearbeitende Aufträge nicht nur in bestimmten Jahreszeiten, Monaten und Wochen, sondern auch innerhalb eines Tages höchst ungleich verteilt. Viele Hädnler bieten z.B. taggleichen Versand an, wenn Aufträge bis zu einer definierten Uhrzeit getätigt werden. In der Regel ist deshalb kurz vor dieser Order Cut-off Time ein Peak im Auftragseingang zu erkennen, der bei der Systemauslegung unbedingt berücksichtigt werden muss (siehe nachfolgende Abbildung mit Peak im Auftragseingang kurz vor 15:00). Eine Auswertung der Bestellmengen auf Stundenbasis ist deshalb in der Regel die Basis für die Dimensionierung des Logistiksystems.

Aggregierte Verteilung von Auftragseingängen über den Arbeitstag

Auch innerhalb einer Arbeitswoche ergeben sich häufig höcht unterschiedliche Anforderungen an das Logistik-System. Häufig stechen einzelne Tage hervor, in denen die Nachfrage besonders hoch ist, während die Last an anderen Tagen deutlicher niedriger ist. Das nachfolgende Balkendiagram zeigt z.B. eine besonders starke Auftragslast an Montagen. Es zeigt außerdem, dass der Datensatz mit einzelnen Restaufträgen am Wochenende „verunreinigt“ ist und dass das Jahresprofil höchst ungleichmäßig ist.

Zeitprofil der Auftragseingänge pro Tag über mehrere Monate

Das nachfolgende Balkendiagramm über die Popularität von Wochentagen verdeutlicht die Situation. Es zeigt einerseits, dass die Auftragslast über die Woche abfällt. Andererseits zeigt es auch, wie irreführend die Nutzung von Durchschnittswerten für die Systemauslegung ist, da sie durch Ausreißer massiv verzerrt werden. Mit Blick auf das Datum im konkreten Beispiel müssen für die Auslegung eines zukünftigen Logistik-Systems außerdem außerordentliche Effekte berücksichtigt werden: In 2020 haben viele Händler, gerade Online-Händler, einen Covid-induzierten Nachfrage-Boom erlebt, der für nachfolgende Geschäftsjahre in vielen Fällen nicht repräsentativ ist. Datensätze aus Jahren mit solchen Sondereffekten müssen für die Systemauslegung stets kritisch betrachtet werden.

Popularität von Wochentagen für Bestelleingänge

Neben einer aggregierten Darstellung der Popularität von Wochentagen kann der wochenweise Vergleich zusätzliche Einblicke liefern, auch um sich wiederum von möglicherweise falschen Annahmen aus der aggregierten Darstellung zu befreien.

Wochenweiser Vergleich der Auftragseingänge pro Wochentag

Das Polar-Diagramm zeigt zwar, dass für Auftragseingänge Montage häufig besonders stark ausfallen. Jedoch zeigt es auch eine große Schwankungsbreite. Im vorliegenden Beispiel wäre es also mitnichten so, dass Montage immer besonders stark ausfallen. Die Höhe der Schwankungen legt nahe, dass die Ursache für die Schwankungen geklärt und bei der Arbeitsplanung in Zukunft berücksichtigt werden sollten.

Alles in allem ist die Zeitprofilanalyse für die Konzeptionierung und die Dimensionierung eines Logistiks-Systems, ob manuell oder automatisch, zwar kein Hexenwerk. Jedoch geht sie weit über die doch erschreckend weit verbreitete Bildung arithmetischer Mittel über Tageswerte von Autragszeilen u.ä. hinaus. Auch eine interpretative Komponente ist stets der Teil der Analyse der Zeitprofile; der Analyst muss das Kundengeschäft verstehen und den Datensatz entsprechend interpretieren, um ihn richtig analysieren und zu den korrekten Schlussfolgerungen kommen zu können. Dies gilt für alle Arten der Logistik-Datenanalyse, besonders aber für die Zeitprofile. Gerne unterstützen wir Sie!